Geschichtstafel: Germanische Siedlung und Rhader Haus

Ende 1929 wurden beim Roden von Kiefernstämmen in der Wallerheide, 1,5 km nordwestlich Rhade, Bruchstücke einer Handmühle und Gefäßscherben gehoben. Das Material lag in einer Grube von rund 1 m Durchmesser und Tiefe. Dieses Fundmaterial machte den Eindruck typischer Siedlungsreste, so dass eine Nachuntersuchung der Fundstelle geboten erschien.

Aschen und Kohlereste und einzelne Scherbeneinschlüsse wiesen darauf hin, dass sich hier der Herd, wahrscheinlich eines Hauses, befunden haben müsse. Die Vermutung war richtig. Es kam ein kleiner Pfostenbau zutage. Der Bau stand auf einer leicht von 0sten nach Westen abfallenden Geländeerhebung, etwa 200 m von einem an seinem Fuße vorbeifließenden kleinen Wasserlauf.

Nach der Rekonstruktion des Grundrisses war das Haus 8,5 Meter lang und 5,25 Meter breit. An der Ostseite ist der Bau rund 0,5 Meter schmaler als an der Westseite. Die Pfostenverteilung innerhalb der Wandseiten ist unregelmäßig, am auffälligsten bei den Längsseiten des Hauses. Die Nordseite hat 6 sichere und einen im Geländebefund nicht unbedingt sicheren, jedoch sehr wahrscheinlichen 7. Pfosten; die Südseite hat dagegen 9 Pfosten. Eine genauere Betrachtung der Pfostenstellung der Langsseiten des Hauses gegeneinander läßt eine Scheidung zwischen Tragpfosten und Strebpfosten erkennen. Wie der Rekonstruktionsgrundriß zeigt, stehen sich 4 Pfostenpaare der Längsseite so gegenüber, daß sich vier senkrechte Ebenen ergeben. Die Pfostenpaare haben gleichen Abstand und werden demgemäß als Binderpfosten angesehen. Sie lassen auf ein Satteldach schließen. Die Geschosshöhe wird mit etwa 2 Metern anzusetzen sein, da im 18. Jahrhundert ländliche Wohnbauten bei uns 2,20 m lichte Höhe bis Unterkante Balken hatten.

Aus den Fundstücken des römischen, wahrscheinlich aus Trier stammenden lmportgutes, sind zunächst näher die germanischen Gefäßreste datierbar und dann das Haus selbst. Es ergibt sich eine Zeitspanne zwischen rd. 200 und 275 n. Chr.

Mit der Ausweitung des römischen lmperiums an den Rhein, sowie mit den umfassend angelegten Versuchen, weitere, östlich des Rheins gelegene germanische Gebiete in ihren Herrschaftsbereich einzubeziehen, werden diese in handels- und militärstrategische Planungen einbezogen. Zahlreiche handwerkliche Erzeugnisse römischer Herkunft, wie z. B. Metall und Tongeschirr, bezeugen dies.

Neben dem germanischen Haus von Rhade gibt es eine weitere Ausgrabungsstelle.  Diese liegt im südöstlichen Grenzgebiet von Rhade-Lembeck, in der Bakeler-Heide. Hier wurden bei Grabungen an einer kaiserzeitlichen Siedlung neben zahllosen Scherben von einheimischem Geschirr ebenfalls römische Terra-Sigillata Scherben gefunden. War es Beutegut, Handelsgut oder eine Tributgabe oder gar ein offizielles Geschenk? Solche u.a. hier nachgewiesene Kontakte zwischen der hiesigen germanischen und der römischen Kultur des Rheinlandes ermöglichten, ebenso wie die aus römischem Handwerk übernommenen technischen und modischen Anregungen, eine Verknüpfung beider Kulturen. Nebenstehend die rekonstruierten Vorder- und Seitenansichten des in der deutschen Architekturgeschichte bekannt gewordenen sog. „Rhader Hauses“, einem Ständerwerk, wie es bis in das 19. Jahrhundert bis zum niedersächsischen Bauernhaus weiterentwickelt wurde. Des weiteren unten stehend abgebildete Fundstücke der in der Herdgrube des Hauses geborgenen römischen *Sigillata-Scherben: einer Reibschüssel mit röhrenförmigem, durch einen Löwenkopf markierten Ausguß, einer halbkugeligen Schüssel, 260 n. Chr. mit Rundstablippe und aus der Form gepreßten Reliefverzierungen und einem bauchigen Becher mit hohem Steilhals, rundstab artig verdickter Lippe, ***Barbotine-Verzierungen mit der vermutlichen Aufschrift ** BIBAMUS (Bem: lat. „trinken“). Weitere Fundstücke waren Reste eines verschmolzenen Bronzegefäßes, ein kleiner Schleifstein, Bruchstücke einer Handmühle, sowie Scherben handgearbeiteter graubrauner Gefäße mit Standfuß und solchen, die zu einem Rauhtopf gehörten.

Quellen: Stieren, A.: Vorgeschichtliche Bauten in Westfalen.
In: Bodenaltertümer Westfalens II, 1931, S. 106-109.
Bilder: Archiv Schwiderek, Text: Fritz Oetterer,
ergänzt um Links 2016/2017.